Mitochondrientherapie bei Herzschwäche: Eine Frage der Bioverfügbarkeit

Gebhardt, P. (2020). Mitochondrientherapie bei Herzschwäche: Eine Frage der Bioverfügbarkeit. OM & Ernährung, 171, 23-27

Verschiedene Coenzym Q10-Formulierungen unterscheiden sich teilweise deutlich
hinsichtlich ihrer Bioverfügbarkeit. Im Vergleich zum pulverförmigen Ubiquinon weist das in Kapseln erhältliche Ubiquinol, die reduzierte Form des Coenzyms, eine deutlich höhere Bioverfügbarkeit auf. Durch flüssige Formulierungen mit Phospholipiden bzw. mit Phospholipiden und MCT-Öl kann die Resorptionsquote weiter gesteigert werden. Flüssiges Coenzym Q10 ist besoders dann empfehlenswert, wenn mit einer beeinträchtigten Aufnahmefähigkeit von Nährstoffen zu rechnen ist.

Coenzym Q10 spielt eine essentielle Rolle als Elektronenüberträger im Energiestoffwechsel. Als fettlösliches Antioxidans kann es sich in Membranstrukturen anreichern und Sauerstoffradikale direkt an einem wichtigen Entstehungsort, der inneren Mitochondrienmembran, abfangen. Untersuchungen mit Patienten mit Herzinsuffizienz konnten eine deutliche Verbesserung der Symptome aufzeigen. Wegen der deutlich besseren Bioverfügbarkeit sind dabei besonders flüssige Formulierungen empfehlenswert, in denen das Coenzym in kleinsten, mit Phospholipiden umhüllten Tröpfchen vorliegt. Bei Herzschwäche ist es ratsam, auf die Versorgung mit Mikronährstoffen zu achten, da die Aufnahmefähigkeit der Betroffenen vermindert sein kann und bestimmte Medikationen, wie z.B. Diuretika die Ausscheidung von Vitaminen und Mineralstoffen, fördern können. Gerade bei Mikronährstoffen, deren Mangel Symptome hervorrufen kann, die denen der Herzinsuffizienz ähneln, ist es möglich, dass eine Unterversorgung unentdeckt bleibt oder erst spät erkannt wird.

Das Spurenelement Selen spielt als Cofaktor in antioxidativen Enzymsystemen (Glutathionperoxidasen) eine wichtige Rolle bei der Neutralisation reaktiver Sauerstoffradikale (ROS). Eine adäquate Selenversorgung kann die Entstehung neuer Blutgefäße (Angiogenese), die Immunfunktion sowie die Wundheilung begünstigen. Die Keshan-Krankheit ist eine Selenmangelerkrankung, die besonders in ländlichen Gegenden Chinas endemisch ist (im Kreis Keshan), wo der Boden besonders arm an Selen ist. Der Selenmangel führt zu einer oxidativen Schädigung des Herzmuskels mit Entwicklung einer Kardiomyopathie. Das Herz hypertrophiert und wird zunehmend bindegewebig umgebaut. Das Auftreten der Erkrankung konnte durch Supplementation von Selen in den Endemiegebieten verringert werden.

Eine unzureichende Selenversorgung kommt bei Herzschwäche häufig vor. In einer großangelegten Untersuchung mit mehr als 2.000 Teilnehmern mit progredienter Herzinsuffizienz konnte bei etwa 20% der Patienten ein Selenmangel diagnostiziert werden. Dabei konnte ebenfalls eine Assoziation mit erhöhtem oxidativem Stress und erhöhter Sterblichkeit aufgezeigt werden. Eine Kontrolle des Selenstatus bzw. eine zusätzliche Supplementation sollte daher bei Herzschwäche erwogen werden.

Thiamin (Vitamin B1) ist ein wasserlösliches Vitamin, das für die Verstoffwechslung des aus dem Glukoseabbau entstehenden Pyruvats zu Acetyl-CoA in den Mitochondrien benötigt wird. Thiamin ist deshalb von essentieller Bedeutung für die aerobe Energiegewinnung aus Kohlenhydraten. Eine Thiamin-Unterversorgung zeigt sich in Funktionsstörungen von Zellen mit hohem Glucosestoffwechsel, wie Nerven-, Muskel- und Herzmuskelzellen. Ein Thiaminmangel führt zu der Vitaminmangelerkrankung Beriberi mit Missempfindungen, Konzentrationsschwäche, Bewusstseinsstörungen, Herzinsuffizienz, Ödemen und Atembeschwerden. Eine unzureichende Thiaminversorgung kann unter anderem durch die Einnahme von Diuretika entstehen und hat bei Herzschwäche eine hohe Prävalenz. Eine Thiaminsupplementation kann die Leistung des Herzens bei Patienten mit Herzschwäche signifikant verbessern.